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Kritik: No Hit Wonder

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Florian David Fitz ist einer der größten Stars des deutschen Films und natürlich kein „One Hit Wonder“. Oder …?
 
Poor old Johnny Ray sounded sad upon the radio, …
 
Daniel war mal ein erfolgreicher Musiker. Genauer gesagt, war Daniel EINMAL ein erfolgreicher Musiker. Genau EINMAL hatte er Erfolg. Einen einzigen Hit hatte er. Vor langer Zeit. Aber das ist vorbei. Daniel ist am Ende. Ganz am Ende. Nach einem missglückten Suizidversuch muss er vorerst unter Beobachtung in einer psychiatrischen Klinik bleiben. Zum Glück arbeitet dort die Ärztin Lissi, die sich mit Glücksforschung beschäftigt. Und da wäre es doch eine glückliche Fügung, wenn der unglückliche Daniel ihr Forschungsobjekt sein könnte. Zum Glück kann Lissi ihrem und seinem Glück nachhelfen …
 
“Come On Eileen” ist einer der besten Songs der Musikgeschichte. Dieser Song ist musikalisch vielschichtig und brillant. Banjo, Fiedel, Akkordeon, der signifikante Bass und andere Instrumente kreieren aus traditioneller irischer Volksmusik, Soul und Pop etwas das mehr als bloß ein Song war und ist. Vielleicht war die Einzigartigkeit dieses Songs für seinen Komponisten Kevin Rowland ein Fluch und er konnte deshalb nie etwas Vergleichbares nachliefern. “Come On Eileen” blieb eines der größten „One Hit Wonder“ der Musikgeschichte.
 
Im Gegensatz zu so manch anderem Oldie, wie z.B. „Spirit in the Sky“ oder „I feel good“ haben wir “Come On Eileen” kaum jemals in einem Film gehört. Ich erinnere mich an eine kurze Szene in „Tommy Boy“ mit dem zu früh verstorbenen Chris Farley. Aber der einzige Einsatz in einem Film, der diesem Song auch nur halbwegs gerecht wurde, war wohl im unterschätzten „The Perks of Being a Wallflower“ mit der jungen Emma Watson. “Come On Eileen” sollte wohl auch im Film ein „One Hit Wonder“ bleiben. Bis jetzt …
 
 
Florian David Fitz ist natürlich kein „One Hit Wonder“. Der Mann ist seit Jahren einer der fleißigsten und erfolgreichsten Schauspieler des deutschsprachigen Raums. Auf der üblichen Route, Nebenrollen in Erfolgsserien („Bulle von Tölz“), Rosamunde-Pilcher-Verfilmung über eine Hauptrolle in einer Serie („Doctor’s Diary“) und dem unvermeidlichen Film mit Til Schweiger („Männerherzen“) ging es zum größten Erfolg: „Vincent will Meer“, nach Fitz‘ eigenem Drehbuch, hat 2010 über eine Million Zuschauer in die Kinos gelockt. Das brachte Fitz unter anderem einen Bambi und den Deutschen Filmpreis ein. Was will man noch Meer?
 
Natürlich konnten sowohl der Darsteller Florian David Fitz als auch der Drehbuchautor noch Meer liefern. Seit anderthalb Jahrzehnten bekommen wir Fitz regelmäßig in erfolgreichen Filmen zu sehen. Während die Drehbücher zu Filmen wie „Die Vermessung der Welt“ oder „Willkommen bei den Hartmanns“ von anderen Autoren stammen, hat Fitz die Drehbücher zu „Jesus liebt mich“, „Der geilste Tag“, „100 Dinge“ und „Oskars Kleid“ selbst verfasst. Vielleicht aus Angst nach „Der Vorname“, „Der Nachname“ und „Der Spitzname“ auch noch bei den unvermeidlichen Fortsetzungen „Der Kosename“, „Der Künstlername“ und „Der zweite Vorname“ mitspielen zu müssen, hat Florian David Fitz nun wieder ein Drehbuch geschrieben.
 
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These things, they are real
 
Und man kann es leider nicht anders sagen, es ist wieder ein typisches Florian David Fitz-Drehbuch geworden. Wieder lässt Fitz hier eine schwierige Geschichte in einer sehr einfachen Welt spielen. Wieder werden komplexe Themen zwischen Klamotte und Drama gestreift aber nicht wirklich behandelt. Und wieder macht Fitz das so gut, dass vermutlich wieder ein ausreichend großer Anteil des Kinopublikums gar nicht merken wird, wie oberflächlich und banal alles an dieser Geschichte ist.
 
Wie in „Vincent will Meer“ ein erwachsener Mann mit schwerem Tourette-Syndrom noch nie in Behandlung war und nach einer Flucht durch drei verschiedene Länder einfach seiner Wege gehen durfte, werden in „No Hit Wonder“ Patienten wenige Tage nach einem Suizidversuch einfach mal so entlassen. Die Ärztin macht noch ein kleines Scherzchen über die Schusswunde im Gesicht und Tschüss. Und so wie in „Oskars Kleid“ im Leben eines Trans-Kindes plötzlich alles in Ordnung kommen sollte, weil der besoffene Papa nun was auch immer eingesehen hat, so gibt es für ein sich selbstverletzendes Opfer von Cyber-Mobbing ein Happy-End, weil, … keine Ahnung, … der Film nun aus ist?
 
Kaum ein Teil der Handlung würde in der richtigen Welt auch nur so ähnlich funktionieren. Den Tiefpunkt im Leben des ehemaligen Popstars stellt die Tatsache dar, dass „die Zeitung“ nicht über seinen Selbstmordversuch berichtet. Ähm, … Florian David Fitz ist zwar nicht so jung wie er aussieht, aber sollte er tatsächlich schon so alt sein, dass er dieses Drehbuch vor mehreren Jahrzehnten verfasst hat?
 
Sollte er wirklich nicht wissen, dass es 2025 „die Zeitung“ gar nicht mehr gibt? Auf der Startseite meines Mail-Accounts wurde heute groß darüber berichtet, dass jemand den ich nicht kenne, in einer Fernsehsendung die ich nie gesehen habe, etwas getan hat das ich nicht verstehe. Hätte Lou Bega gestern versucht sich das Leben zu nehmen, müsste ich verschiedene Meldungen dazu vermutlich ein Dutzendmal wegklicken, ehe ich meine erste Mail schreiben könnte und trotzdem den Rest der Woche immer wieder Banner-Werbung darüber lesen.
 
Fitz hat sich hier eine halbgare Story ausgedacht, die leider voller inhaltlicher Lücken ist. Die weibliche Hauptfigur muss irgendwann vom dümmsten Kindheitstrauma der Filmgeschichte berichten, damit wir eine Erklärung dafür bekommen, warum sie mit der männlichen Hauptfigur erst in die Kiste steigt, nachdem sie sich betrunken und so enthemmt hat. Eine Hälfte der Nebenfiguren bekommt klischeehafte Gründe für ihre Depressionen, aber keinerlei Auflösungen ihrer Geschichten. Die andere Hälfte bekommt nicht einmal die klischeehaften Gründe.
 
Doch irgendwie schafft es der Autor Fitz immer wieder mit Witz und Herz über die vielen, wirklich vielen Schwächen und Defizite seiner Handlung hinwegzuschreiben. Von der amüsanten Montage zu Beginn des Films, die auf originelle Weise den Abstieg des Popstars verdeutlicht (3. Station: Fernsehgarten, 6. Station: Dschungelcamp, letzte Station: Möbelhaus) über einige wirklich berührende kleine Szenen und Dialogzeilen (etwa wenn ein Flüchtling über seine Depressionserfahrungen in Deutschland berichtet oder wenn die Frau eines Demenzkranken nebenbei meint, „Um mich geht es hier gar nicht“) bis zum gesungenen Finale mit einem der größten „One Hit Wonder“ der Musikgeschichte, schafft es Fitz immer wieder von den Schwächen seines Drehbuchs abzulenken.
 
Leider gelingt Regisseur Florian Dietrich kein vergleichbares Kunststück. Die Qualität seiner Inszenierung schwankt wischen unauffällig und plump. Er filmt interessante Figuren in interessanten Räumen und kann uns teilweise weder für die Figuren noch die Räume das richtige Gefühl vermitteln. Dafür muss die weibliche Hauptfigur ein altes Auto fahren, das so alt ist, dass es in der Realität schon wieder wertvoll wäre. Und eine andere Figur muss nicht nur in aufgepeitschter Stimmung aus der Toilette eines Fernsehstudios kommen, nein sie muss sich auch noch mehrmals die Nase abwischen. Und weil auch das nicht reicht, muss eine weitere Figur sie noch auf den „Puderzucker“ auf ihrem Kragen aufmerksam machen. Und weil auch das nicht reicht, muss noch „Puderzucker“ im Wert von mehreren Hundert Euro vom Kragen gewischt werden.
 
We are far too young and clever
 
Da ist es ein Glück, wenn der Film mit Leuten besetzt ist, die selbst wissen, was sie zu tun haben. Die beiden renommierten Bühnendarsteller*innen Corinna Kirchhoff und Udo Samel entreißen ihre Nebenhandlung dem Kitsch und verleihen ihr eine Tiefe, die so gar nicht im Drehbuch steht. Die junge, unbekannte Darstellerin Jerusha Wahlen zeigt eine natürliche Präsenz, die sie hoffentlich noch in besseren Rollen in besseren Filmen ausbauen kann. Bernd Hölscher, Jasmin Shakeri, Bernd Hölscher, Marta Helmin und vor allem Aziz Dyab spielen ihre undankbaren Rollen so gut, in einer perfekten Welt würden sie alle ihre Figuren in jeweils eigenen Filmen nochmal spielen und diesmal zu echten Charakteren ausbauen dürfen.
 
Nora Tschirner ist nicht nur eine gute Schauspielerin. Sie schafft es auf der Leinwand einfach immer wieder so bezaubernd zu wirken, dass sie sogar Filme wie „Keinhodenhasen“, „Zweidaumenküken“, „Dreinasenkatzen“ oder „Gut gegen Nordwind“ wenn schon nicht retten, dann doch aufwerten konnte. Auch hier spielt sie die Chargenrolle der „schwierigen Frau“ wieder sehr viel sympathischer als Fitz diese geschrieben hat.
 
Und natürlich spielt auch Florian David Fitz die sich selbst auf den Leib geschriebene Rolle noch viel sympathischer als er selbst sie geschrieben hat. Fitz weiß genau was er kann. Und er weiß noch besser, wie das Publikum ihn sehen will. Und daher kann und darf dieser Daniel sich zwar den einen oder anderen Fehler erlauben, aber er kann und darf nie wirklich der selbstverliebte Egozentriker sein, den dieser Film als Hauptfigur gebraucht hätte um wirklich interessant zu werden.
 
Und am Ende des Films erliegt man dann dem Charme von Florian David Fitz und seiner banalen, fast schon primitiven Geschichte, weil Fitz es einfach drauf hat, solche banalen, fast schon primitiven Geschichten zu schreiben. Denn wer uns ein Finale wie das dieses Films, zu den Klängen von “Come On Eileen”, liefert, der hat es einfach drauf. Drehbuchautor Fitz und Darsteller Fitz „move a million hearts in mono“. Und so lehnen wir uns im Kinosessel zurück und „sing just like our fathers: Come on, Eileen! Oh, I swear (well he means), at this moment, you mean everything!
 
Fazit
 
Florian David Fitz ist sicher kein „One Hit Wonder”, aber er ist ein „One Trick Pony“, wenn er wieder mal eine banale Geschichte geschrieben hat, die ihrem Thema überhaupt nicht gerecht wird, den ganzen Film dann aber lieb, nett und sympathisch genug ausfallen lässt, um das Publikum von den offensichtlichen Mängeln der Handlung abzulenken.
 
 
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