Uninspirierte Fortsetzungen und Remakes, also Filme, die einem nur mehr von dem bieten, was in der Vergangenheit funktioniert hat, sind der Fluch der jüngeren Filmgeschichte. Und nun kommt die Fortsetzung eines Films, der auf einer 40 Jahren alten Fernsehserie basiert, in die Kinos …
Hurra, hurra, der Kobold mit dem roten Haar, …
Schreinermeister Florian Eder lebt und arbeitet zu Beginn des neuen Films nun schon eine Weile in der alten Werkstatt seines verstorbenen Onkels mit Pumuckl zusammen. Man hat sich arrangiert. Der Schreiner arbeitet zuverlässig und mit viel Aufwand und Liebe an seinen Werkstücken. Und der Kobold bringt zuverlässig und mit viel Aufwand und Liebe alles durcheinander. Aber plötzlich droht Veränderung. Das passt unserem Pumuckl natürlich gar nicht …
Früher war nicht alles besser. „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“, wie der Lateiner sagt. „Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen“, wer das nicht versteht wird es sich selbst und anderen immer schwer machen. Wer die Vergangenheit unkritisch romantisiert, zeigt nur, wie ihn die moderne Welt überfordert. Das gilt für viele Aspekte des Lebens, aber vor allem für den Umgang mit Kindern. Und sind nicht Menschen, die z.B. heute noch den „Struwwelpeter“ verteidigen, auch immer genau die Menschen, die man nicht in der Nähe der eigenen Kinder wissen möchte?
Aber wenn früher nicht alles besser war, war früher auch nicht alles schlecht. Die Fernsehserie „Meister Eder und sein Pumuckl“ war hervorragend und ihrer Zeit weit voraus. (Hinweis: ich beziehe mich hier ausdrücklich auf die zwischen 1982 und 1988 entstandene Fernsehserie, nicht auf die davor entstandenen Geschichten von Ellis Kaut. In diesen Geschichten, in denen Meister Eder den Kobold regelmäßig zur Strafe einsperrt, ist leicht erkennbar, wie sehr die Autorin leider auch ein Kind ihrer Zeit war.)
Diese Fernsehserie war für Kinder rasend komisch, hatte aber immer wieder auch subtilen Witz für Erwachsene zu bieten. In ihren besten Momenten, etwa wenn selbst dem gutmütigen Meister Eder mal der Geduldsfaden riss, war sie geeignet bei den Kindern Verständnis dafür zu wecken, wie belastend die Streiche des Pumuckl für Eder und ihre Kapriolen für ihre Eltern waren. Wenn Eder die Reue des Pumuckl erkennen und einsehen musste, dass der es nie böse gemeint hatte (war er doch ans „Koboldgesetz“ gebunden), geriet der von Gustl Bayrhammer so kongenial dargestellte Schreinermeister zu einem Vorbild für geplagte aber liebende Eltern.
Die alte Serie hob sich angenehm vom Einerlei anderer Kinderserien ihrer Zeit. Sie war damals ihrer Zeit voraus und wurde auch deshalb zum zeitlosen Klassiker. Als nun vor zwei Jahren ein neuer Film und damit auch eine neue Fernsehserie angekündigt wurde, durfte man Schlimmes befürchten. Aber diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Und auch der neue Film, der die nächste Staffel der Fernsehserie einläutet, ist Regisseur Marcus H. Rosenmüller wieder bestens gelungen.
In meiner Rezension zu „Beckenrand Sheriff“, Rosenmüllers letztem Film ohne Kobold, habe ich 2021 nicht mit Kritik an diesem Film und Rosenmüllers bisherigen Werk gespart. Ich schrieb von „kleinen, gefälligen Filmen“, in denen uns der Filmemacher mit „ein bisserl Volkstümmelei, ernsten Themen als bloßen Handlungselementen und einem unbestimmten Gefühl von „früher war alles besser“ vor allem „mit Altbewährtem“ unterhalten wollte. All das trifft nach wie vor zu. Aber unter anderem aus diesen Gründen ist Rosenmüller der perfekte Regisseur für die Fortsetzung der alten Fernsehserie mit neuen Mitteln.
Nun kritisiere ich seit vielen Jahren die unterschiedlichsten Filme dafür, altmodisch zu sein. Ich werfe Filmemachern aus aller Welt bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Mangel an Originalität vor und den Studios einen Mangel an Mut, der sie uns immer wieder mit Altbewährtem versorgen lässt. Und plötzlich soll das alles etwas Gutes sein? Ist der alte Mann nun senil geworden oder doch bloß altersmilde?
Weder noch! Wenn ich Filme kritisiere, dann für das was sie sind. Dazu betrachte ich unter anderem den Unterschied zwischen dem, was ein Film ist und dem was er sein könnte und sollte. Ich bewerte den Unterschied zwischen dem was ein Film tatsächlich bietet und dem was er zu bieten gehabt hätte. Und weil diese Unterschiede bei „Pumuckl und das große Missverständnis“ geringer ausfallen als bei den weitaus meisten Filmen die ich hier rezensieren darf, kann ich gar nicht anders als festzustellen, dieser Film ist weitgehend gelungen.
Hurra, hurra, der Pumuckl ist da!
Der Pumuckl ist weder James Bond noch Batman. Der Pumuckl muss nicht alle paar Jahre neu erfunden werden. Dieses Franchise braucht kein „Reboot“. Die alte Fernsehserie wurde bereits damals bewusst so produziert, dass sie „zeitlos“ wirken würde. In den wenigen Straßenszenen waren kaum jemals Fahrzeuge zu sehen, die Figuren trugen keine modische Kleidung, … und so wirken die Folgen der alten Serie auch nach vier Jahrzehnten vielleicht „aus der Zeit gefallen“, aber nicht wirklich „altmodisch“. Und was nicht altmodisch ist, muss nicht erneuert werden.
Alles was an Rosenmüllers früheren Projekten teilweise zu kritisieren war, die Volkstümmelei, der Hang zum Altbewährten, … aber auch alles, was Filme wie „Wer früher stirbt, ist früher tot“ oder „Beckenrand Sheriff“ unterhaltsam machte, die immer liebevolle und verständnisvolle Zeichnung der Figuren, die kompetente und gefällige Inszenierung, das herrlich Menschelnde, … all das macht Marcus H. Rosenmüller zum perfekten Regisseur für die neuen Abenteuer des beliebten Kobolds.
Rosenmüller macht alles richtig, wenn er das Altbewährte erhält und nur dort wo es notwendig ist, sanft erneuert. Wenn hier mit viel Aufwand die alte Schreinerwerkstatt im Hinterhof teilweise elektronisch nachgebaut wird, ist das genau der richtige Einsatz moderner Filmtechnik (dass man dieses wunderschöne Gebäude, das sicher Generationen von Kindern viel bedeutet, bereits vor Jahrzehnten abgerissen hat, sagt viel darüber aus, wie stolz man in München tatsächlich auf das Schöne und Alte ist). Das Gleiche gilt für die Animation des kleinen Kobolds, der natürlich nun im Computer generiert wird, aber immer noch genauso aussieht wie die Bild-für-Bild handgemalte Version der Achtzigerjahre.
Und es war auch exakt die richtige Entscheidung, mittels Voice Cloning den Klang der Stimme des verstorbenen Hans Clarin über die von Maxi Schafroth gesprochenen Dialoge des Kobolds zu legen. Die Erben von Hans Clarin, die diesem Verfahren zugestimmt haben, dürfen sich des Danks mehrerer Generationen von Fans sicher sein.
Wie bereits erwähnt, ist der Pumuckl weder James Bond noch Batman. Er muss nicht neu erfunden werden, um immer wieder neue Generationen anzusprechen. Das kann die großartige alte Fernsehserie ganz alleine. Aber anders als bei der verschlankten, neuen „Biene Maja“ oder der mit billiger 3D-Animation als Zombie wiederbelebten „Heidi“ können kleine Fans des Pumuckl, die bereits jede Folge der alten Serie mehrmals auf DVD gesehen haben, mit Rosenmüllers neuen Geschichten und auch diesem neuen Film einfach fortfahren. Sie werden keinen Bruch in der Erzählung und im visuellen Stil verarbeiten müssen und können den liebgewordenen Kobold auf neuen Abenteuern mit neuen Freunden begleiten.
Zu den neuen Freunden gehören Darsteller*innen, wie Matthias Bundschuh, Gisela Schneeberger oder Maximilian Schafroth (der genaugenommen eine Doppelrolle spielt), die alle einen guten Job machen. Robert Palfrader trägt ein bisserl arg dick auf, wird dafür aber so einige Lacher von den kleinen Fans ernten. Für die älteren Fans gibt es ein nettes kleines Wiedersehen mit Ilse Neubauer, der letzten überlebenden Darstellerin der alten Serie. Und Star-Tenor Jonas Kaufmann ist in einem witzigen Cameo zu sehen.
Rosenmüller hat damals gut daran getan, keinen „Ersatz“ für den großen Gustl Bayrhammer zu suchen, sondern einen echten „Nachfolger“ und den deutlich jüngeren Florian Brückner zu besetzen. Brückner wirkt nicht nur sympathisch, sondern gleichzeitig jünger und älter (weil erfahrener und weiser) als er mit gerade mal 40 Jahren tatsächlich ist. Er spielt nicht einfach eine „jüngere“ Version, sondern einen „anderen“ Meister Eder. Innerhalb der Handlung ist er der Neffe des verstorbenen alten Meisters. Und Brückner vermittelt bei allen Unterschieden eine angenehm natürlich wirkende Familienähnlichkeit in Art und Wesen, mit der sich seine Figur als würdiger Erbe der Schreinerei und der Darsteller selbst als ebenso würdiger Nachfolger des großen Gustl Bayrhammer erweist.
Fazit
Die Fortsetzung eines Films, der auf einer mehr als 40 Jahren alte Fernsehserie basiert, bietet uns tatsächlich vor allem mehr von dem, was in der Vergangenheit funktioniert hat. Und das ist in diesem Fall gut so. Rosenmüller weiß genau was er tut und führt die schöne alte Serie kongenial fort.